2019-03-11 #kurzkritik #theater

DT
der tempelherr. ein erbauungstück
von Ferdinand Schmalz
7.3.19 19:30 letzte Reihe
EUR 9,00

Das neue Stück von Ferdinand Schmalz ist da! [D]er [T]empelherr heißt es, und im Untertitel: »ein [E]rbauungsstück«! Aufgeführt auf der mittelgroßen Bühne des Deutschen Theaters und damit eine Nummer größer als das schmierig-geschmeidige [H]erzerlfresser-Kabinettstück in der ›Box‹ vor ein paar Jahren. Vorhang frei: und ein Bühnenbild, das gar nicht nötig wäre. Im ersten Moment gewaltig, doch dann bitte abblenden. Zurück in die ›Box‹ und dicht ran das Ohr an die gewundenen Wortgirlanden, auf Augenhöhe mit der Schubkarre (die hier fehlt). Das hier, das erinnert an Luke Skywalkers abgestürztes Monstrum auf dem Planeten Yoda im köchelnden Sumpf, hier im Projektionengewitter und mit Fever-Ray-Gedächtnismasken. Auch im [H]erzerlfresser stak Sumpf, der Sumpf vor dem Dorfe, mit dem neu errichteten Einkaufszentrum, das schon wieder wegsackte. Hier war auf der Bühne etwas im Wege, nicht nur die eng geschnürten Kleider, dem statischen Spiel war kein Platz gelassen. Kein Rondo über den Bühnenboden, wie in Hunger/Peer Gynt.

Aus in die Provinz, Pampa, Prairie – ein blödes Triggern von »Gefährder« und »Wir schaffen das«, ich wartete nur noch auf den Wolf (und das wäre vielleicht was geworden mit einem tanzenden Wolf, mit dem Wolf als Gefährten des Bauherrn, als Ziehmutter des verwilderten Kleinen). Ich wartete auch darauf, dass Heinar nun das Nachbargrundstück da in Bornhagen (Hygge, Höcke, Hockergräber) bebaute. Das Bauprojekt auf dem Land, das zu bebauende Land, die Lichtung, hier heideggerianisch brämend bla und bla – dann die schöne Volte, die Bremse: die schönste Figur im ganzen Stück [neben der Figur der Mutter Petra, bis zur Szene der Geburt]. Die Bremse mit ihrem Facettenauge, der facettierte Blick der Bremse über der Lichtung. Die blutbetankte Bremse, die fliegen kann. Der Junge mit den Facettenaugen der Bremse indes nicht, er stürzt klassisch (geblendet). Ikarus wird genannt, doch ist es eher There Will Be Blood (USA 2007).

Wie viel er hätte machen können mit diesem Stoff! Die sieben Himmelspaläste Anselm Kiefers als Prepperbunker in den Untergrund verlängern, das heart of darkness des herzerlfressers von Tim Burton apportieren lassen, einen Chor singen, die Nacht fliegen, ein weibliches Projekt erzählen lassen. Alles auserzählen lassen.

Der Hausbau. Der Hausbau steht auf der Stätte der Toten. »The House of Raoul Villains in Bay of Cala de San Vicent as it stands in 2013«. [1] Da ist er, der Tempel des »Irren vom Hafen«.

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Raoul_Villain#/media/File:059-The_house_of_Raoul_Villain,_Cala_de_San_Vicent_22_June_2013.JPG